Was ist eine Community Managerin? Ist es eine freundliche Begleiterin, eine wortgewandte Vermittlerin? Ist ein Community Manager ein Techie, der vernetzte Zusammenarbeit einfach drauf hat? Oder ein Brandlöscher mit sehr langem Atem? Oder ist es jemand, der Menschen mobilisiert und Ideen zum Fliegen bringt?
Das alles stimmt und ist doch wie eine zu kurze Bettdecke, bei der die Füße kalt bleiben. Die wichtigste Rolle von Community Managern im Unternehmen taucht hier gar nicht auf: Sie sind Transformer – Menschen, die Veränderung gestalten.
Online-Communities treiben die Digitale Transformation voran.
Ganz neu ist der Gedanke nicht – aber die Tragweite wird erst klar, wenn es dann passiert: Dass über 300.000 Menschen aus allen Verästelungen eines Unternehmens und ein weltüberspannendes Social Intranet aufeinander treffen. Diesen Wendepunkt erleben wir bei Daimler gerade. Einerseits sehen wir nun, auf welch breitem Spektrum interne Communities zur täglichen Wertschöpfung beitragen. Und andererseits erfahren jetzt immer mehr Menschen hautnah, welches Umdenken das mit sich bringt und wie wichtig die Rolle von Community Managern dabei ist.
Aber lasst mich einen Gang zurückschalten. Mit Community Management können viele Führungskräfte und Mitarbeiter/innen noch nicht viel anfangen. Das ist Peace-Keeping, höre ich in Gesprächen oft. Ein Evergreen ist auch, dass sich jemand meldet und fragt: Wieviel Zeit soll man täglich in Communities verbringen? Soll oder darf oder kann? Auf jeden Fall aber „neben“ dem eigentlichen Tagesgeschäft. Es sagt viel aus, dass das selbst ein Dilemma für viele Community Manager darstellt, weil für sie Community Management „nur“ ein Nebenjob ist.
ROI: 2.374 Prozent
Das ist unfair für eine Tätigkeit, bei der für jeden investierten Euro über 23 Euro zurückkommen. Kein Tippfehler, hier geht es laut einer aktuellen Studieum 2.374 Prozent Return on Investment. Und es ist auch anders als die Fragesteller von oben vermuten: Community Management IST Tagesgeschäft. Die wesentlichen Anwendungsfälle unternehmensinterner Communities (90 Prozent) sind:
- Lernen und Erfahrungsaustausch
- Zusammenarbeit
- Kommunikation
Hormone für die neue Organisation
Dazu kommt, dass ein Social Intranet und mit ihm Online-Communities die Unternehmensstruktur neu formen. Wenn ein hierarchisches Baumdiagramm das erste ist, was uns dazu einfällt, ist das bezeichnend, bildet aber die Realität nicht ab. Jenseits der offensichtlichen Linienstruktur profitieren informelle Strukturen und die wichtige Wertschöpfungsstruktur des Unternehmens besonders stark von Online-Communities.
Um es zu veranschaulichen: Es wäre schon heute absurd, wegen jedem Problem oder jeder Entscheidung meinen Chef zu fragen. Oft frage ich Menschen, denen ich einfach persönlich vertraue (informell) oder die ich und andere als kompetent wahrnehmen (Wertschöpfung). Dank meines Netzwerks und dank Communities im Social Intranet werden immer mehr Personen dieser zwei Kategorien sichtbar – und ich kann sie unkompliziert zu Rate ziehen.
Communities sind wie Hormone für die informellen und die Wertschöpfungsstrukturen. Community Manager sind hier in einer Schlüsselposition und verändern die Organisation, indem sie einige ihrer wesentlichen Parameter neu denken und gestalten – nämlich Abläufe, Strukturen und Steuerung. Communities haben in der DNA, was die Digitale Transformation in unser Backlog schreibt: Eigenverantwortung, Agilität, Feedback-Kultur, Purpose, Co-Creation, Pioniergeist, you name them.
Wenn wir also in Community Manager investieren, bringt das Digitale Transformation ins Unternehmen – konkret, vor Ort, ins Tagesgeschäft.
Wie werden wir der Bedeutung von Community Managern gerecht?
Unser Social Intranet ist noch keine fertige Plattform, sondern immer noch in der BETA-Phase. Erst Ende 2018 löst es endgültig unser altes Intranet ab. Dennoch hatten wir Mitte Oktober 2018 bereits über 160.000 registrierte Nutzer/innen. Knapp 40 Prozent dieser Nutzer sind aktuell aktiv und nutzen etwa 3.000 aktive Communities. Dies alles, obwohl bisher keine breite Kommunikation erfolgt ist und die Nutzung des Social Intranets absolut freiwillig ist.
Wie wir das erreicht haben? Wir haben von Anfang an konsequent auf organisches Wachstum und auf Viralität gesetzt. Multiplikatoren, Botschafter, Power User, Influencer – wie auch immer Ihr sie nennen wollt – sind unsere entscheidenden Treiber. Community Manager gehören zu dieser Aufstellung, weil sie an den Knotenpunkten unseres Social Intranets agieren. Dazu kommen unsere „netWorker“, also Botschafter, die Skills und Nutzen von vernetztem Arbeiten in die organisatorische Breite und Tiefe tragen. Und schließlich unsere Initiativen und Aktivitäten zu Working Out Loud (WOL), mit denen wir Menschen ins Thema Vernetzung mobilisieren, die persönlich wachsen wollen.
Community Management bei Daimler ist nur im Kontext von „netWork“ und Working Out Loud verständlich und erfolgreich. Augenhöhe, gemeinsames Erkunden, ein Co-Creation-Mindset und das Working-Out-Loud-Prinzip „Wachsen durch Teilen“ durchziehen unsere Aktivitäten wie ein roter Faden.
So waren Community Manager von Anfang an Partner. Bereits vor Start der Beta-Phase haben wir auf sie gezählt und sie einbezogen. Natürlich über eine Community auf der neuen Plattform, aber auch über eine Serie offener virtueller Fragerunden und interaktiver Webinare über Skype for Business. Pitch-Runden waren dabei, in dem die Kolleg/innen ihre Community-Vorhaben vorstellten und erstes Feedback einsammeln konnten. Eine Zeit lang waren besonders Einführungen in die Funktionen rund um das Erstellen und Gestalten von Communities gefragt. Seit Anfang 2018 hebt die Nachfrage nach strategischeren Community-Themen ab, zum Beispiel „Erfolgsmessung“ oder „Moderation und Mitglieder-Engagement steigern“.
Eine Qualifizierung für Menschen mit verschiedenen Hintergründen
Diese Dynamik greift unsere Qualifizierung für Community Manager auf. Sie ist im Mai gestartet. Bis Ende 2018 werden 75 Community Manager/innen durch die Qualifizierung gelaufen sein, und noch einmal doppelt so viele haben sich beworben und scharren mit den Füßen.
Qualifizierung bedeutet bei uns informelles, exploratives Lernen und ein stark adaptierbares Konzept. Denn in unserem Unternehmen lebt Community Management davon, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen Werdegängen entdecken, welche Potenziale darin für ihre Tätigkeit stecken und wie sie es konkret in ihrem Umfeld adaptieren. Kommunikatorinnen sind ebenso dabei wie Trainerinnen, Redakteurinnen, Projektleiterinnen, Sekretärinnen, Innovatorinnen, Teamleader, Wissensmanager (alle natürlich m/w). Sie kommen unter anderem aus Forschung und Entwicklung, zentralen Funktionen, Produktion, HR, Betriebsrat und der Marketing-Organisation.
Daher ist die Qualifizierung keine Schmiede für strategische Community-Gurus, sondern das leichtgewichtige Modell einer 7-wöchigen, Community-basierten Online-Schulung. Wir entwickeln sie agil weiter und probieren auch mal was Schräges aus, zum Beispiel Mindfulness-to-Go, um die Aufnahmefähigkeit während der Online-Zeit zu verbessern. Vor allem aber wollen wir größte Nähe zum Job ermöglichen und den Teilnehmer/innen den Anstoß geben, selbst ein nachhaltiges Netzwerk aufzubauen, das ihnen über die einmalige Maßnahme hinaus Impulse und Support liefert.
Susanne, eine Teilnehmerin des Pilot-Kurses, hat das so formuliert: „Die Verschränkung von online und offline war für mich besonders bereichernd. Ich habe mich auch jenseits der Sessions mit anderen Teilnehmern vernetzt und von vielen gehört, dass sie dann noch in gemeinsame Projekte gegangen oder Sparrings-Partner geworden sind.“
Explorer, nicht Experten für den Rand der Erde
In der Qualifizierung leben wir, was wir predigen: Die Auseinandersetzung mit den anderen Teilnehmern steht ganz vorne, Trainer sind nicht besonders hervorgehoben. Das Leitbild eines „Explorers“ für alle ist uns wichtig. Wir Trainer und Veranstalter aus dem Headquarter lernen auch weiter, etwa in unserem Netzwerk vieler anderer deutscher Unternehmen, die vielleicht wie die Deutsche Telekom mit ihrem Social Intranet oder wie Bosch mit Communities oder mit einem anderen Thema schon einen weiteren Weg zurückgelegt haben als wir.
Es gibt daher keinen fertigen Experten, der sich allein vorne hin stellt und erzählt, er kennt alle Möglichkeiten und Chancen unseres neuen Social Intranets und übrigens auch den Rand der Erde. So entstehen die besten Erkenntnisse im Co-Creation-Modus, in den Diskussionen oder weil wir auf Initiative aus dem Kreis der Teilnehmer/innen zum Beispiel gemeinsam Dokumente mit Argumentationslinien gegenüber Führungskräften oder Community-Empfehlungen erstellen. Immer wieder wird auch deutlich, dass die authentischen Fragen und Erfahrungen der Teilnehmer/innen viel effektivere Aha-Erlebnisse liefern als Trainer-Weisheiten. Unsere Trainer verlieren dadurch keineswegs den Job, sondern – und da sind wir wieder bei Community-Management – sie sind gefragt als geschickte Moderatoren eines gemeinsamen Lernweges.
Transformation hat kein Ende, und ich behaupte mal, Communities werden auf lange Zeit eine Rolle dabei spielen. Oder in den Worten von Douglas McGregor, der schon in der Mitte des letzten Jahrhunderts modernes Management neu gedacht hat: „Orga-Diagramme malen wir eines Tages wahrscheinlich als Serie vernetzter Gruppen – und nicht mehr als Hierarchie individueller Beziehungen auf Basis von ‚Wer berichtet wem‘.“
So bleibt es spannend. Wie die Dinge liegen, kommt gerade richtig Schwung in die Sache. Daher kein Fazit, sondern lieber ein paar Fragen. Was meint ihr?
- Wie werden Communities die Organisation verändern?
- Wieviel und welche Arbeit, welche Wertschöpfung wird dort zukünftig erledigt – und welche vielleicht nicht?
- Ist mehr Professionalisierung der Weg – oder mehr Popularisierung? Ist z. B. Community Management eine Fertigkeit, die jede/r braucht – oder müssen wir der Rolle mehr formalen Rückhalt geben?
- Wenn wir Community Management im Unternehmen noch weiter bringen wollen – welche Fragen sollten wir uns als nächstes stellen?
Weiterführende Artikel:
Berufsbild – Corporate Community Manager Stellenprofil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Working Out Loud (WOL): eine wichtige Methode für interne (Corporate) Community Manager